06.05.2024

Verteidige das Herz Europas mit Deiner Stimme!

Rede von Klaus Jensen auf der Kundgebung von „Pulse of Europe“
am Sonntag, 5. Mai 2024 in Trier, Porta Nigra


Liebe Freundinnen und Freunde Europas!


8. Mai 1945: Europa in Trümmern, 50 Millionen Tote, Hunger, Perspektivlosigkeit, Orientierungslosigkeit, verfeindet, zerstritten.

5. Mai 2024: Europa in Wohlstand (ohne bestehende Armut zu vergessen), demokratisch, rechtsstaatlich, freiheitlich, tolerant, kooperativ.

Eine Europäische Union aus 27 Staaten, die als Wertegemeinschaft täglich darum ringt, die Grundwerte zu verteidigen, die als Gemeinschaft der Demokratien für die Sicherung und Entwicklung des Demokratischen kämpft und die mit und in ihrer Verfasstheit und Gerichtsbarkeit die Menschenrechte für ihre Bürgerinnen und Bürger sichert.
Die Europäische Union, ein erfolgreiches Friedensprojekt mit einem zentralen, epochalen Ergebnis: Keine neuen Soldatenfriedhöfe. Dafür gab es 2012 den Friedensnobelpreis für die EU.

Es ist beklagenswert, dass vor den Toren der EU die Ukraine einen erbittertern Verteidungskampf gegen den Aggressor Putin führen muss.

Jetzt findet am 9. Juni 2024 die Wahl zum Europaparlament statt, einer nicht selbstverständlichen Errungenschaft, und wir stehen hier um dafür zu werben, die EU in diesem Europa nicht den Feinden der Demokratie zu überlassen: Verteidige das Herz Europas. Mit Deiner Stimme.

Wie bekloppt ist das denn eigentlich? Was geht denn hier ab, dass wir etwas Großartiges verteidigen müssen, das doch der überwältigenden Mehrheit der in Europa lebenden Menschen nützt, das den Frieden sichert etc. etc...

Ja, es ist bitter, wir müssen der Wahrheit ins Gesicht schauen, die Zahl der Feinde der Demokratie, der Internationalen Zusammenarbeit, der Menschenrechte und der Vielfalt wächst in gefährlichem Ausmaß. In fast allen Ländern der EU gewinnt die extreme Rechte an Stärke und Einfluß, gelingt es ihr mit geschickter Indoktrination, Fake News, Menschen so zu beeinflussen, dass sie selbst gegen ihre eigenen Interessen eine Politik der Kälte, der Ausgrenzung, der Vereinfachung, der ökonomischen Inkompetenz und der Diskriminierung unterstützen.

Warum werden Parteien wie die AFD gewählt, selbst wenn ihre Bundestagsfraktion 100 rechtsextreme Mitarbeiter beschäftigt, Abgeordnete Geld von Diktaturen kassieren und unter Spionageverdacht stehen und zwei Landesverbände vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden?

Wissen die Wähler und Wählerinnen Rechter Parteien eigentlich, was sie damit anrichten, welche Verantwortung sie tragen bzw. nicht übernehmen? Können oder wollen sie nicht sehen, welche Konsequenzen ein noch größerer Rechtsruck für Europa haben kann?

Welche Errungenschaften der EU stehen auf dem Spiel?

Als Konsequenz aus den Katastrophen des Europas der Kriege, zuletzt des II.Weltkrieges, wurde 1952 mit der Bildung der Montanunion für Kohle und Stahl eine erste epochale Entscheidung getroffen, 1957 dann die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).
Mit Griechenland 1981, Portugal und Spanien 1986 wurden Länder in die EU integriert, die wenige Jahre zuvor noch Diktaturen waren und in der EU ihren demokratischen und wirtschaftlichen Aufstieg realisieren konnten. (Demokratieprojekt EU)

Vor 20 Jahren folgte dann die Osterweiterung mit Polen und den östlichen Nachbarm Tschechien, Slowakei, die baltischen Staaten usw.. In den Aufnahmeprozessen waren die Rechtsstaatlichkeit und Werteorientierungen maßgebliche Voraussetzungen für die Aufnahme in die EU. Auch insofern war und ist das Friedensprojekt EU auch ein Demokratieprojekt.

In der Zeit der EU-Gründung waren nur 12 der heutigen Mitgliedsstaaten Demokratien, jetzt sind es 27. Die Herausforderung besteht darin, dass es so bleibt. Polen hat mit demokratischen Mitteln und der Unterstützung durch die EU auf die Aushöhlung der Demokratie durch die PIS geantwortet. Ungarns Bevölkerung wird hoffentlich den gleichen Weg gehen. Am Beispiel Polens sehen wir, das schlimme antidemokratische Entwicklungen gebremst werden können, aber wie schwierig es ist, von der PIS vorgenommene Veränderungen z.B. in der Justiz und in der Medienlandschaft zu korrigieren.

Liebe Freundinnen und Freunde Europas,

die Gründe für die Verschiebung der politischen Koordinaten nach Rechts sind vielfältig und ich kann sie aus Zeitgründen hier nicht im Detail darstellen. Aber natürlich gibt es hausgemachte Ursachen für die kritische Haltung vieler Menschen, wie z.B. eine zu langsame und noch immer unzureichende Demokratisierung der EU selbst und ihre schwache Vermittlung ihrer Erfolge und Vorteile für die 500 Millionen Menschen in Europa. Auf alle wirken die Entscheidungen der EU in nahezu allen Bereichen in den Alltag, aber das Bewußtsein darüber wird verdeckt durch die Wahrnehmung vieler Dinge als selbstverständlich und durch Unkenntnis, welche Beschlüsse der EU unser Leben positiv beeinflussen.

Wer also, so wie wir hier heute, Menschen überzeugen will, wie wichtig es am 9. Juni ist, demokratische Parteien und keine Rechtsextremen zu wählen, muss konkret benennen, was die EU eingeführt und bewirkt hat.

Eine Auswahl kleiner und großer Dinge, die wir der EU zu verdanken haben:

keine neuen Soldatenfriedhöfe

Reisefreiheit in 26 Staaten

Niederlassungsfreiheit

Flug- und Fahrgastrechte in Bahn, Schiff und Bus

Anspruch auf öffentliche Gesundheitsversorgung zu den Bedingungen wie die Bevölkerung des Reiselandes

hohe internationale Standarts für Produkt- und Lebensmittelsicherheit

2 Jahre Garantie für in der EU erworbene Produkte

14-tägiges Rückgaberecht für Fernkäufe

Grenzwerte für Luft- und Wasserverschmutzung

Verbot 2021 von 10 häufig an Stränden anzutreffenden Einwegartikeln wie Trinkhalme, Wattestäbchen, Luftballonstiele etc.

EU-weite Kriminalitätsbekämpfung

10 Millionen Auslandsaufenthalte junger EU-Bürger mit Erasmusprogramm

Abschaffung der Roaming-Gebühren

4 Wochen Mindesturlaub

14 Wochen Mutterschaftsurlaub

Klimaschutzmaßnahmen

Lieferkettengesetz

Hunderte Projekte in unserer Grenzregion im Rahmen der EU-Programme Interreg, Leader, EFRE, ESF u. a.
• z.B. Bildungszentrum der Handwerkskammer (10 von 30 Millionen Euro Kosten)
• z.B. zweite Schleusenkammer Trier
• z.B. Tourismusförderung Moselsteig
• z.B. Ausbildungsprogramme

In dieser Liste sind so für Europa wichtige Themen noch nicht erwähnt, obwohl sie erheblichen Anteil an den Förderprogrammen der EU haben: Die Erhaltung des kulturellen Reichtums der EU-Länder und die Diversität, die Vielfalt. Zuletzt möchte ich noch den nach Ende der Corona-Pandemie aufgelegten Wiederaufbauplan NextGenerationEU erwähnen, der mit 800 Milliarden Euro ausgestattet wurde.

Liebe Gegner der EU, liebe an der EU Verzweifelnde und liebe von der EU Überzeugte.

Zu Recht lässt sich vieles in der EU in Frage stellen, (die Richtlinie zur Gurkenkrümmung existiert meines Wissens aber schon lange nicht mehr). So ist vielen die Asylpolitik der EU zu restriktiv und anderen viel zu liberal, das Fehlen einer stimmigen Harmonisierung der Steuerpolitik wird angemahnt und nach wirksamen Instrumenten zur Armutsbekämpfung gesucht.

Das Herz Europas zu verteidigen heißt nicht, Defizite zu verdecken und große Herausforderungen insbesondere beim Klimaschutz und der Transformation der Wirtschaft zu verdrängen. Das Herz Europas zu verteidigen heißt, kritische Solidarität bei der Lösung von Sachfragen zu üben und am 9. Juni demokratische Parteien zu wählen.

Ein Europa, dominiert von Rechtsextremen, wäre eine Katastrophe für alle und ich mag mir das nicht vorstellen. Jetzt sagen die Rechten, man wolle ja zusammenarbeiten, aber lose. Eine „Internationale der Nationalisten“, da hakt mein Verstand und meine Vorstellungskraft aus. Internationale Probleme lassen sich nicht mit nationalen Instrumenten, mit einer nationalistischen Politik bekämpfen wie z.B. Klima- und Umweltschutz, Pandemien (ach ja, die gab es ja gar nicht, war alles Fake News), Wirtschaftsbeziehungen etc.. Wer den DEXIT, den Austritt Deutschlands aus der EU will, soll einfach mal nach Großbritannien fahren. Er oder sie wird geheilt heimkommen.

Nein, die Europäischen Union ist Garant für ein friedliches und freiheitliches Europa.

Wie sähe denn eine rechte Alternative aus?

Wir wären Verbündete Russlands mit dem Kriegsverbrecher Putin, würden als wirtschaftlich erfolgreicher Kontinent scheitern und mit Massenarbeitslosigkeit ungeahnten Ausmaßes konfrontiert sein. Und wie immer in authoritär geführten Regimen würde die Gewaltenteilung aufgehoben, die Minderheiten unterdrückt, die Frauen im Gleichstellungsprozess zurückgeworfen, Menschen mit Migrationshintergrund deportiert, Menschen mit Behinderung isoliert, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reduziert, Gewerkschaften geschwächt, Mindestlöhne abgeschafft, kurz, es werden diejenigen, die jetzt Rechts wählen, in einer Welt aufwachen, die selbst sie so nicht wollten.

Um das zu verhindern, müssen sich jetzt alle demokratisch gesinnten Menschen bewußt machen, dass sie ganz konkret am 9. Juni die Verantwortung dafür tragen, ob wir weiter in einem demokratischen, werteorientierten Europa Leben leben oder nicht.

Noch einige Worte an die Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau Von der Leyen und an Herrn Weber von der CSU.

Die Kommissionspräsidentin hat vor einigen Tagen in einem Interview ein mögliches Einreißen der Brandmauer nach Rechts angedeutet. Sie kann sich eine Zusammenarbeit mit der Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ vorstellen.

Das ist ein Tabubruch, den Frau Von der Leyen tunlichst unterlassen sollte. EKR hört sich so harmlos an. Das sind aber Melonis Faschisten in Italien, die PIS Kaszinskys, die ultrarechte VOX in Spanien und die Reconquete! in Franreich des rechtsextremen Eric Zemmour. Und Herr Weber von der EVP/ CSU ist schon seit längerem dabei, das Feld für Kooperationen zu bereiten. Lassen sie die Finger davon, stellen Sie den persönlichen Machterhalt nicht über demokratische Grundüberzeugungen. Es gilt: keine Zusammenarbeit mit Rechtsextremen.

Liebe Jugendliche ab 16 Jahre. Ihr dürft jetzt an den Europawahlen teilnehmen. Was Euch hier in der Bundesrepublik leider verwehrt bleibt, weil es keine Mehrheit im Bundestag und leider auch nicht im Landtag in RLP dafür gibt, ist Euch in Europa möglich. Macht was draus, geht wählen, wählt demokratisch, fallt nicht auf die politischen Rattenfänger der AFD auf TikTok rein. Europa ist Eure Zukunft.

Liebe Leute, wir haben noch gut einen Monat Zeit, potentielle Nichtwählerinnen und Wähler von der Bedeutung der Europa-Wahl zu überzeugen. Wir sollten es auch nicht aufgeben, Menschen anzusprechen, die heute Rechts wählen wollen, aber vielleicht doch noch zweifeln, ob sie es wirklich tun sollen.

Es geht für uns alle und künftige Generationen um sehr viel.
Haken wir uns unter und kämpfen wir für:

ein demokratisches Europa

ein soziales Europa

ein wirtschaftlich starkes Europa

ein tolerantes, freiheitliches Europa

ein Europa der Menschenrechte

ein Europa des Klimaschutzes

ein friedliches Europa